Heft 2•1990



Die MP-Redaktion: 
Hans Weiß, Verantwortlicher Redakteur, 
Herbert Hemke und Hans-Joachim Hill, Redakteure, und – last but not least – unsere neue redaktionelle Mitarbeiterin Hannelore Kulik

Liebe Leserinnen und Leser!

Unsere Medienlandschaft scheint von tektonischen Beben erschüttert. Vieles ist ins Wanken geraten, etliches bereits eingestürzt. Fast nichts ist heute, im Dezember 1989, noch so, wie es vor dem Oktober war. (Die Herstellzeit der MP ist allerdings noch die gleiche; deshalb wird wohl auch der Schnee, der bis jetzt noch gar nicht gefallen ist, schon wieder geschmolzen sein, wenn Sie dieses Heft in die Hände bekommen.) Die Kollegen des ADN haben mit ihren vehementen Forderungen nach Erlaubnis zu eigenverantwortlicher, ungeschönter, sachlicher Berichterstattung zur Wende beigetragen. Die Mitarbeiter der Aktuellen Kamera entschuldigten sich öffentlich für den Stil ihrer bisherigen Beiträge und zeigen jetzt, daß sie es auch anders können. Und was die Veränderungen in der Tagespresse angeht, so sprechen diese für sich.

Hier drängt sich natürlich die Frage nach Konsequenzen für die Fachpresse und demnach auch für die MP auf. Würden wir als zuverlässiges Barometer für unsere Arbeit lediglich die Leserresonanz ansehen, müßten wir zufrieden sein: Die Auflage unserer Zeitschrift liegt seit jeher stabil bei weit über 50000 Exemplaren, ein Beweis für Ihre Treue zur Zeitschrift, und der Anteil kritischer Leserpost ist so gering wie nie zuvor. Vielleicht ist dies ein Zeichen dafür, daß wir die Frage: Was nützt dem Leser wirklich? nicht erst nach der Wende stellen (können), sondern von Beginn an permanent stellten. Dadurch konnten viele nützliche Hinweise von Ihnen die Profilierung der MP bewirken. Erinnert sei nur an die nach Leserdiskussionen vorgenommene Reduzierung von Beiträgen mit vordergründiger Selbstdarstellung einer Leistung oder Produktwerbung. Oder an die Tatsache, daß wir bei der Annahme – und noch wichtiger: Ablehnung – von Beiträgen den Nutzen für einen bestimmten Hersteller nicht generell mit dem Nutzen für die Leser gleichsetzten, sondern versuchten, verantwortungsbewußt unter gesamtvolkswirtschaftlichen Gesichtspunkten abzuwägen. Demzufolge orientierten wir uns nicht an einer gewünschten oder vorgetäuschten, sondern an der materiell-technischen Basis, die unsere Leser in der Wirklichkeit vorfanden. Dabei wird es natürlich auch bleiben. Darüber hinaus glauben wir aber, daß unter den veränderten Bedingungen in unserem Lande durchaus weitere Verbesserungen notwendig und möglich sind.

Über diese Möglichkeiten und Pläne wollen wir Sie an dieser Stelle kurz informieren, so wie wir es in den jeweiligen Februarheften der letzten Jahre im Dialog mit Ihnen getan haben. Übrigens: Ist auch Ihnen bewußt, daß wir bereits auf drei Jahrgänge der MP zurückblicken können? Wir haben in der Redaktion dieses kleine Jubiläum zum Anlaß für eine Rückschau genommen, um auch daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Außerdem meinen wir, daß Sie nun doch einmal Gelegenheit erhalten sollten, die Mannschaft der MP kennenzulernen und liefern Ihnen daher auf dieser Seite unsere Konterfeis.
Was kann, was soll sich nun ändern? Beispielsweise die Rubrik Informationen. Hier waren und sind wir weitgehend auf Meldungen der Nachrichtenagentur ADN angewiesen, zu der ich eingangs schon etwas sagte. Dabei muß aber auch bedacht werden, daß der Wille zu objektiver Berichterstattung nur eine Seite der Medaille ist. Die andere zeigt sich in dem, was den Journalisten des ADN und der übrigen Presse in den Betrieben "vorgeführt" wird. So wird es hoffentlich in Zukunft möglich, aber nicht mehr nötig sein, Schönfärberei in Erfolgsmeldungen zu beseitigen. Andernfalls werden wir auf diese "Informationen" verzichten. In dieser Hinsicht setzen wir auch große Hoffnungen in das erwartete Mediengesetz.
Das Gesagte gilt in hohem Maße auch für die anderen Beiträge. Eine wissenschaftlich-technische Fachzeitschrift kann immer nur Mittler zwischen den Autoren und den Lesern sein, da die überwiegende Mehrzahl der Manuskripte von Fachleuten außerhalb der Redaktion verfaßt wird. Das zeigt, daß die Qualität der Fachzeitschrift vor allem von der Bereitschaft ihrer Leser zur Mitarbeit als Autoren geprägt wird, zumindest, so lange freie Fachjournalisten mit einem Gespür für leserfreundliche Aufbereitung von Fachwissen in unserem Lande (noch?) rar sind. Vielleicht können also auch Sie, der Sie Leser der MP sind, selbst als Autor zur Qualifizierung Ihrer Fachkollegen beitragen? Der Redaktion obliegt es, in Zusammenarbeit mit dem ehrenamtlichen Redaktionsbeirat, den Autoren und Lesern, die "richtigen" Manuskripte zu beschaffen und auszuwählen.

Im Heft 2/1989 hatten wir unsere Meinung zum Profil der MP ausführlich dargelegt. Dennoch gibt es bei einigen Lesern Vorstellungen, denen wir gegenwärtig leider nicht entsprechen können. So wird das Profil natürlich auch wesentlich von Faktoren wie Seitenzahl und Manuskriptangebot bestimmt. Und diese zwangen uns, zugunsten unserer Hauptlesergruppe – Hard- und Softwareentwickler – bereits seit Anfang 1988 Einschränkungen bei wissenschaftlichtheoretischen Beiträgen einerseits und bei der Kleincomputerthematik andererseits vorzunehmen. Deshalb will ich die Ausführungen zum Charakter der MP hier noch einmal kurz zusammenfassen:

• Die MP ist eine wissenschaftlichtechnische Fachzeitschrift, die vor allem einen berufsmäßig vorgebildeten Leserkreis in seiner praktischen Tätigkeit unterstützt.
• Angesprochen werden alle ingenieurtechnischen Mitarbeiter, die auf dem Gebiet der Mikroelektronik, Computertechnik und Informatik tätig sind.
• Die MP informiert demzufolge über die spezifischen Bauelemente der Computertechnik und deren Applikationen, über Entwicklungen auf dem Computersektor, etwa zu gleichen Teilen Hardware und Software, sowie zukunftsorientierend zu Fragen der Informatik.

Erreichen wollen wir das mit einem ausgewogenen Verhältnis von Fachaufsätzen, Überblicksbeiträgen und informativen Rubriken. An Themen stehen dabei demnächst folgende auf der Tagesordnung:

• dBase-Compiler Clipper im Überblick
• das 32-Bit-Mikroprozessorsystem U 80700
• der 32-Bit-Rechner K1820
• Mikrocontroller.

Darüber hinaus die Komplexe lokale Netze, Leiterplattenentwurf am PC, Applikationserfahrungen mit den Prozessorsystemen 80286 und U 80600, Signalprozessoren.

Es scheint uns im Sinne der Mehrzahl unserer Leser zu sein, wenn wir versuchen, die bewährten Rubriken wie Börse, Entwicklungen und Tendenzen, Messeberichte, Technik international usw. nicht einzuschränken, sondern nach Möglichkeit noch zu erweitern.
An dieser Stelle noch zwei kurze Bemerkungen zur Rubrik Börse. Zum einen wollen wir nochmals darauf hinweisen, daß wir im Interesse einer hohen Aktualität Angebote nur veröffentlichen, sofern sie nicht auch in einer anderen Zeitschrift erscheinen. Zum anderen machten uns Leserauf vermutlich unseriöse Softwareangebote aufmerksam und schlugen vor, vom Anbieter eine Erklärung zur Rechtsmängelfreiheit zu verlangen. Die Redaktion hält dies für einen kaum wirksamen zusätzlichen Aufwand; man sollte davon ausgehen, daß sich jeder, der unrechtmäßig Software zum Verkauf anbietet, über die Konsequenzen klar ist, die sich daraus für ihn ergeben können.

Auch Ihnen wird es sicher nicht entgangen sein: Unsere Presselandschaft wird gegenwärtig unübersehbar um eine neue Facette bereichert – Anzeigen aus dem westlichen Ausland. Auch wir haben über diese neue Möglichkeit nachgedacht, meinen aber, daß wir in Anbetracht des bescheidenen Umfanges der MP keine Seiten für Anzeigen opfern sollten. Vorbehaltlich allerdings, solange nicht geregelt ist, daß sich die Anzeigenerlöse zugunsten unserer Leser direkt oder zumindest erkennbar in einer Qualitätserhöhung der Zeitschrift niederschlagen. Aber auch hierbei werden wir unsere Entscheidung anhand des Leserechos ständig überprüfen und bitten Sie daher um Ihre Meinung.

Abschließend möchte ich Sie schon auf ein kleines Bonbon neugierig machen, das Sie ab Heft 4/1990 erwartet: Im Zuge wachsender Kooperationsmöglichkeiten haben wir als „Start“ in diese Richtung mit der anerkannten BRD-Fachzeitschrift c't – Magazin für Computertechnik eine Vereinbarung getroffen, die es uns erlaubt, Beiträge aus der c't künftig für die MP zu übernehmen. Nicht weil es vielleicht Mode ist, sondern weil wir uns davon eine Bereicherung der MP versprechen, die für viele von Ihnen von Nutzen sein wird. Denn auch für den grenzüberschreitenden Austausch von Fachwissen sollte sich besonders eine Computerzeitschrift mehr denn je offenhalten, meint Ihr


Hans Weiß



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