1980 bis 1983 -
erste Überlegungen, Vorschläge und Aktivitäten, der an
Bedeutung gewinnenden Mikroelektronik mit einer neuen,
spezifischen Fachzeitschrift gerecht zu werden
Die
erste im VEB Verlag Technik dokumentierte Aktivität zur Gründung
einer Mikroelektronik-Zeitschrift in der DDR ist das Konzept des
Ingenieurverbandes Kammer der Technik (KDT), Bezirksvorstand
Berlin, BFS Elektrotechnik, BFA (Bezirksfachausschuß)
Mikroelektronik vom - 15. 12. 1980 (leider ohne
Anschreiben). Titel: „Initiative
des BFA Mikroelektronik zur Gründung einer der Mikroelektronik
zugeordneten Zeitschrift“
Aufgelistet
werden auf 6 Schreibmaschinenseiten (Ormig-Kopie) Argumente, neben
bestehenden Fachzeitschriften, die sich mal mehr, mal weniger auch
dieses Themas annehmen, eine speziell darauf ausgerichtete neue
Fachzeitschrift herauszugeben. Titelvorschlag:
DIGITRONIK,
Zeitschrift für digitale Informationsverarbeitung und
Mikroelektronik.
Als
optimal wird eine Herausgeberschaft des Kombinates Mikroelektronik
(KME) vorgeschlagen, aber auch der Verlag Technik als geeignet
angesehen. Vom Verlag wurde der Vorschlag offensichtlich
abgelehnt (siehe unten, Mai 1984, Redemanuskript Hieronimus), er
führte jedenfalls nicht zur gewünschten Gründung einer neuen
Fachzeitschrift. Dass es später doch dazu kam, dürfte
maßgeblich dem Engagement von Professor Michael Roth von der
Technischen Hochschule Ilmenau zu verdanken sein. In Wikipedia
wird über seine Schilderung berichtet, sich „15 Jahre lang“
engagiert zu haben, „bis
eine kleine Auflage der „Mikroprozessortechnik“ erscheinen
durfte“. Da die erste Ausgabe der MP Anfang 1987 herauskam,
müssten seine Aktivitäten also bis ins Jahr 1972
zurückreichen. Eine Relativierung bezüglich der formulierten
„kleinen Auflage“ sei hier erlaubt: Nach anfangs vorgesehenen
10 000 Exemplaren, dann genehmigter Startauflage von 30 000
Exemplaren wurde sie 1987 auf 40 000 Exemplare und ab 1988
auf 55 000 Exemplare erhöht. Das war ein Mehrfaches der
Auflagenhöhe anderer DDR-Computerfachzeitschriften wie
„rechentechnik/datenverarbeitung“, „edv-aspekte“ oder
„NTB“ (Neue Technik im Büro). Doch dazu später mehr. Zu
der Schilderung, auf die sich Wikipedia bezieht, hier eine kleine
Korrektur: Professor Roth war weder „Gründer“ der Zeitschrift
MP (dies war der VEB Verlag Technik) noch deren „Herausgeber“.
Dies war die Kammer der Technik (KDT). Die Klarstellung der
Begriffe soll allerdings nicht im Geringsten die Verdienste von
Professor Roth schmälern. Wie die Dokumente belegen, war es
seinem Engagement zu verdanken, dass es zur Gründung der MP
kommen konnte. Er war nicht nur Initiator, sondern auch
hartnäckiger Kämpfer für die langwierige Durchsetzung der Idee.
Ein
erster Beleg dafür ist sein Brief
an den Verlag Technik vom
-
12. 05. 1983.
Zum
einen informiert er, dass im KDT-Fachverband Elektrotechnik die
„Wissenschaftliche Sektion Mikroprozessortechnik“ gegründet
wurde. Zum anderen liefert er in der Anlage eine mehrseitige
Argumentation zur Herausgabe
einer neuen wiss.-techn. Zeitschrift „Mikroprozessortechnik“,
datiert vom - 26. 04. 1983. Hierin „werden
thesenförmig schwerwiegende Gründe dafür benannt, daß es
erforderlich ist, rasch eine neue wissenschaftlich-technische
Zeitschrift mit dem integrierenden Titel Mikroprozessortechnik
herauszugeben“. Mit dieser
Herausgabe „müssen Mathematiker, Physiker und Ingenieure, die
unterschiedlichen Gebieten entstammen, auf das neue Gebiet
Mikroprozessortechnik von Schaltkreisentwurf bis zum Programm
zusammengeführt werden“ — um als weiteren Effekt eine
„Verringerung des unerträglichen Defizites an qualifizierter
Fachliteratur zur Mikroprozessortechnik“ zu erreichen. Es
liegen allerdings mehrere Schriftstücke gleichen Datums und
gleichen Inhaltes vor, die nicht eindeutig als genannte Anlage zu
identifizieren sind; in damaliger Ermangelung von Kopiertechnik
offenbar mehrmals mit Durchschlägen abgeschrieben (auf einem
Durchschlag neben Namensangabe Roth
im Kopf auch Unterschrift mit
verwischter Tinte). Außerdem eine fast identische Fassung „für
eine neue wissenschaftlich-technische Zeitschrift unter dem
Arbeitstitel Technische Informatik“. Diese Fassung dürfte
jedoch aufgrund ihres Bezuges im letzten Absatz deutlich später
verfasst worden sein: „Die Profilierung der komplexen
Wissenschaftsdisziplin Mikroprozessortechnik durch eine
Fachzeitschrift Mikroprozessortechnik kann als wesentlicher
Beitrag des VEB Verlag Technik zur Herausbildung moderner
Wissenschaftsgebiete zur Verwirklichung des Ingenieurbeschlusses
des ZK vom 28. 06. 1983 gewertet werden.“
Für
den verlagsinternen Umlauf des Schreibens von Prof. Roth (an
Cheflektor, Ökonomischen Direktor, Hauptredakteurin) formuliert
der Verlagsleiter (Sandig) handschriftlich erste Gedanken auf dem
Brief: „Nun müssen wir
uns eine Meinung bilden. Aber nicht nur verlagsintern, sondern
auch das MfEE (Ministerium für Elektrotechnik/Elektronik, Hinweis
des Autors) konsultieren. Diese Zeitschrift dürfte ihre Chancen
haben, auch in die Zukunft gedacht. Wenn wir zu einer positiven
Meinung kommen sollten, kann der Inhalt der Zeitschrift nicht vom
Verlag, sprich von seinem Direktor, verantwortet werden. Dieses
Eisen ist mir zu heiß! Kann man das einem Kombinat oder einer
anderen Stelle anhängen?“
-
30. 05. 1983
Brief
von Verlagsdirektor Sandig an Prof. Roth mit vorläufiger
Antwort, Recherchen zur Prüfung des Vorschlags einzuleiten, „um
Ihnen umgehend unsere Auffassung zu Ihrem Vorschlag mitteilen zu
können“.
-
15. 07. 1983
Verlagsdirektor
Sandig informiert Prof. Roth über das Ergebnis
seiner Recherchen: „Ihren
Vorschlag zur Herausgabe einer Zeitschrift "Mikroprozessortechnik"
habe ich mit dem Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrats
besprochen. Das Presseamt hat den Minister für
Elektrotechnik/Elektronik konsultiert, in dessen Ergebnis die
Gründung einer neuen Zeitschrift zur Zeit keine Chance hat. Ich
weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, daß ab Juli dieses Jahres
beträchtliche Veränderungen im gesamten Zeitungs- und
Zeitschriftensektor eingetreten sind und im Laufe der nächsten
Monate noch eintreten werden. Das betrifft auch Fachzeitschriften
auf dem Gebiet Elektrotechnik, von denen einige eingestellt,
andere im Umfang reduziert werden. In einer solchen Situation hat
jetzt niemand ein Ohr, wenn eine neue Zeitschrift ins Leben
gerufen werden soll. Betrachten wir die Sache als aufgeschoben,
denn ich bin überzeugt, daß eine solche Zeitschrift einmal ihren
Platz finden wird.“
Was
der Verlagsdirektor mit „beträchtliche Veränderungen“ meint,
war der damalige sogenannte „Papierbeschluß“, in dem es um
die „rationellere Papierverwendung“ im Verlagswesen ging,
sprich Papiereinsparungen. Als ehemaliger Redakteur der
rechentechnik/datenverarbeitung (rd) erinnere ich mich an die im
Verlag Die Wirtschaft kursierende saloppe Formulierung, der
„Papierblitz“ habe jetzt auch im eigenen Verlag eingeschlagen.
In wöchentlichen Redaktionssitzungen, in denen auch Hinweise aus
den sog. Chefredakteuranleitungen weitergegeben wurden,
informierte der Chefredakteur z. B. am 08. 03. 1983
darüber, dass die gesamte Papierplanung ab sofort über die
Staatliche Plankommission (SPK) laufe — für die Buchproduktion
also ein neuer Verfahrensweg. Insgesamt seien 200
Zeitungen/Zeitschriften von dem Beschluss betroffen — der dann
auch in eine DVO (Durchführungsverordnung) gefasst wurde. Für
die Verlage bedeutete dies, mit Tricks (weniger Bilder, kleinerer
Schriftgrad, größerer Satzspiegel — etwa beim Eulenspiegel)
die Informationen auf meist
weniger Heftseiten unterzubringen. Oder aber — so der
Vorschlag der Redaktion rd für ihre Zeitschrift — statt weißer
Seiten 70 g holzfrei auf 60 g holzhaltig umzustellen.
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26. 07. 1983
Gesprächsnotiz
von Abteilungsleiterin Frau Rumpf:
1.
Brief des Verlagsdirektors an das Ministerium für
Elektrotechnik/Elektronik, Stellv. Minister Dr. Morgenthal 2.
Nach Meinung von Dr. Klimke (MEE) werde der Vorschlag abgelehnt,
da „nicht genügend Substanz vorhanden“ sei. Höchstens für
drei bis vier Ausgaben. Für Softwareprobleme könne die
Zeitschrift rd genutzt werden.
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30. 09. 1983
Brief
von Selle, Abteilungsleiter, Ministerrat der DDR, Ministerium
für Kultur, HV (Hauptverwaltung) Verlage und Buchhandel, Abt.
Wissenschaftliche und Fachliteratur, an VT-Direktor Herbert
Sandig: Übersendet als Anlage eine Argumentation (fehlt, bzw.
nicht zuordenbar) zu einer Zeitschrift „Mikroprozessortechnik“,
die von Minister Böhme (damals Minister für Hoch- und
Fachschulwesen und ZK-Mitglied) an Minister Hoffmann (damals
Minister für Kultur der DDR und ZK-Mitglied) mit der Bitte um
eingehende Prüfung übersandt wurde. Selle bittet um Meinung des
Verlages Technik, da eine solche Zeitschrift nur in diesem
erscheinen könne — möglichst bis zum 15.10.1983.
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17. 10. 1983
Brief
von Verlagsdirektor Sandig an MEE, Stellv. Minister Dr.
Morgenthal mit einer Argumentation in der Anlage (fehlt bzw. nicht
zuordenbar), die von Professor Roth über Minister Böhme und
Minister Hoffmann übersandt wurde mit der Bitte um Prüfung.
Sandig bittet um Benennung eines geeigneten Mitarbeiters aus dem
Ministerium, um gemeinsam mit den Urhebern der Argumentation eine
Aussprache vereinbaren zu können.
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07. 11. 1983
Brief
von Professor Roth an Verlagsdirektor Sandig
Bittet
um ein Gespräch im Verlag Technik und erklärt Bereitschaft,
einen Vortrag zum Themenkomplex „Mikroprozessortechnik,
Mikrorechentechnik, technische Informatik“ zu halten.
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18. 11. 1983
Mit
o. g. Datum, Kopf und Unterschrift von Prof. Roth, ein
weiteres Exemplar der
Argumentation von Professor Roth (kein Anschreiben vorhanden);
ganz leicht verändert zur Fassung vom 26. 04. 1983.
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Oktober/November 1983
Diskussion
im Verlag Technik mit den Redaktionen Neue Technik im Büro (NTB -
Herausgeber VEB Kombinat Robotron), Feingerätetechnik,
Nachrichtentechnik/Elektronik, messen steuern regeln (msr) und
radio fernsehen elektronik (rfe) hinsichtlich der möglichen
thematischen Einordnung einer neuen Zeitschrift in das
Verlagsprofil (es gibt jeweils schriftliche Stellungnahmen der
Verantwortlichen Redakteure zum eigenen Profil und zur möglichen
Abgrenzung, siehe Notizen einer
Beratung von HR III).
Tendenziell
positive Stellungnahmen der jeweiligen Verantwortlichen Redakteure
(im VEB Verlag Technik entsprach diese Funktionsbezeichnung dem
Chefredakteur in anderen Verlagen; mit der Wende, ab 01. 07. 1990,
wurden sie dann auch zu „Chefredakteuren“).
Laut
Protokoll der Beiratssitzung der rfe vom 23. 11. 1983
wurde allgemein eine neue Zeitschrift Mikroprozessortechnik „für
sinnvoll gehalten“: Allerdings: „Im MEE (Dr. Klimke) wird der
Vorschlag abgelehnt, da sich eine solche Zeitschrift in der DDR
nicht tragen würde. Er schlägt vor, in rfe inhaltlich wichtige
Beiträge zur Sicherung des Niveaus auch weiterhin zu
veröffentlichen.“ Der Verantwortliche Redakteur der rfe,
Schlegel, stimmte zu, „daß selbstverständlich entsprechende
Beiträge in rfe weiter veröffentlicht werden. Die Bedenken wegen
nicht ausreichender Beiträge werden von ihm nicht geteilt. Er
wies auf das geistige und materielle Potential der Akademie der
Wissenschaften, der Hoch- und Fachschulen und der Betriebe, die
nicht zum MEE gehören, hin.“
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29. 11. 1983
Brief
von VT-Cheflektor Hieronimus an Professor Roth, um
vertretungsweise auf Brief vom 07. 11. 1983 zu
antworten: Das Vortragsangebot wird dankend angenommen. Hängt nur
noch von einem Terminvorschlag aus dem MEE ab.
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01. 12. 1983
Brief
von Dr. Morgenthal (Ministerrat der Deutschen Demokratischen
Republik, Ministerium für Elektrotechnik und Elektronik,
Stellvertreter des Ministers) an VT-Direktor Sandig. „Die
Argumentation zur Herausgabe einer neuen Zeitschrift
"Mikroprozessortechnik" wurde dem Generaldirektor des
VEB Kombinat Mikroelektronik zur Stellungnahme übergeben. Der
Minister für Elektrotechnik und Elektronik, Genosse Meier, hat
den Generaldirektor des VEB Kombinat Mikroelektronik beauftragt,
einen kompetenten Vertreter für weitere Beratungen zu benennen.“
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